Farb-Licht
Christian Muhr, Januar 2002
Zu Franz Türtschers künstlerischer Intervention "Farb-Licht" an den von Arch. Hans Riemelmoser entworfenen Stationen der neuen Kriegerhornbahn in Lech / Arlberg
Die neu errichtete Bahn auf das Kriegerhorn setzt nicht nur neue Standards im Bereich Komfort und Funktionalität in der Personenbeförderung, sondern demonstriert durch ihre klare Formensprache auch die dahinterstehende architektonische Haltung, die mit klug und konsequent eingesetzten Mitteln ein Höchstmaß an unmittelbar erlebbarer räumlicher und sinnlicher Qualität zu erzeugen sucht.
Riemelmoser entwirft die Situation für die Berg- und Talfahrt als einfache Glasboxen und etabliert damit eine Architektur maximaler Transparenz, in der das Spannungsverhältnis zwischen Innen und Außen, Gebäude und Umgebung im Mittelpunkt steht.
Ausgehend von diesem zentralen Entwurfsgedanken hat der Künstler Franz Türtscher für beide Liftcontainer eine Fassadengestaltung entwickelt, die die Intentionen der Architektur auf ganz eigenständige Weise intensiviert. In die fachwerkartige Stahlkonstruktion der Glasummantelung fügt Türtscher jeweils 14 bzw. 12 rechteckige Farbfelder, die dem Raster der Fassade folgen und sie durch das abwechselnde, spannungsreiche Spiel von Farbe und Transparenz rhythmisieren.
Die Folien transportieren kräftige Farben, wie Rot, Grün, Blau, Rosa, Violett in unterschiedlichen Sättigungsgraden und sorgen je nach Perspektive für farbige Ausblicke in die umgebende Natur oder für bunte Lichteinfälle in die Lifthalle. Gerade die Strenge der Anordnung sowie die Sparsamkeit der Farbakzente ermöglicht Farbwirkungen und -wahrnehmungen verblüffender Opulenz: Je nach Sonnenstand bzw. Intensität des einfallenden Lichtes entsteht ein Kaleidoskop von Farbflächen, das sich permanent verändert.
Die einzelnen Farbfelder übernehmen kommunizierende Funktionen zwischen dem Innen- und Außenraum; sie bilden ähnlich einer Sonnenuhr den Lauf der Sonne ab und übersetzen die Wetterverhältnisse in das Innere der Anlage. Umgekehrt tauchen die Farbfelder die dahinterliegende Natur in unterschiedliches Licht und eröffnen dadurch ein kontrastreiches Panorama auf die umgebende Landschaft, das die Künstlichkeit der Naturwahrnehmung unmittelbar vor Augen führt und den eingeübten, romantischen Blick durch die Anordnung von Farbflächen gleichsam filtert.
Gleichzeitig beschäftigt sich diese präzise auf die Aufgabe abgestimmte Arbeit mit fundamentalen Fragen der bildenden Kunst, wie den Proportionen und den Farbwirkungen. Türtscher riskiert es, diese Wechselwirkungen in Anwendung auf einen profanen Zweckbau zu untersuchen und seine Ergebnisse dem Test durch Umweltbedingungen auszusetzen, die sich von üblichen Kunstkonditionen dramatisch unterscheiden.
Franz Türtschers Arbeit für den Lift auf das Kriegerhorn bezieht ihre intensive, irisierende Wirkung ganz aus den Akzentuierung des medialen Charakters der Architektur selbst und kann daher auf üblich gewordene Medienapplikationen wie Bildschirme oder Projektionsflächen völlig verzichten. Im Vergleich dazu kann die Arbeit des Künstlers als "minimal invasiv" bezeichnet werden, denn ihm genügen einige Quadratmeter hauchdünner, handelsüblicher Folie, um sowohl subtile als auch spektakuläre visuelle Effekte zu erzeugen, indem er den Blick färbt und dadurch auf das fokussiert, was vorhanden, zu sehen, zu erfahren ist. Wieviel davon "da" ist, wird niemandem entgehen, der künftig auf das Kriegerhorn fährt.
Christian Muhr (1963), Wien, freier Ausstellungsmacher, Kritiker und Produzent.